Selbstbestimmtes Sterben

Juristin Ass.-Prof. Dr. Magdalena Flatscher-Thöni beantwortete rechtliche Fragen zum selbstbestimmten Sterben. In einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung erklärte Juristin Magdalena Flatscher-Thöni von der UMIT TIROL, warum nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) Regelungen für selbstbestimmtes Sterben erforderlich sind.

Ass.-Prof. Dr. Flatscher-Thöni ist Koordinatorin des Programms für 'Health Policy, Administration, Economics and Law' am Institut für Public Health, Medical Decision Making und Health Technology Assessment der UMIT TIROL.

Juristin Magdalena Flatscher-Thöni von der UMIT in Hall erklärt, warum es nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) Regelungen braucht.

  1. Was besagt das Urteil des VfGH?
    Bis spätestens Jänner 2022 muss es Menschen in Österreich erlaubt sein, aus freiem Willen Hilfe von Dritten in Anspruch zu nehmen, um sich zu töten. Der VfGH befand, dass der Straftatbestand der „Hilfeleistung zum Selbstmord“ gegen das Recht auf Selbstbestimmung verstößt und verfassungswidrig ist. Die freie Selbstbestimmung umfasst nicht nur die Freiheit zur Selbsttötung, sondern auch das Recht, die Hilfe eines (bereiten) Dritten zu beanspruchen. Tötung auf Verlangen bleibt weiter strafbar.
  2. Was heißt das?
    Suizidbeihilfe wird legalisiert. Menschen mit Sterbewunsch können die Hilfe eines Dritten in Anspruch nehmen. Dieses Recht auf selbstbestimmtes Sterben in Würde war bisher in Österreich nicht gegeben.
  3. Wie groß ist der Spielraum?
    Der VfGH weist darauf hin, dass die freie Selbstbestimmung am Lebensende durch soziale und ökonomische Umstände beeinflusst werden kann. Angesprochen werden Lebenssituationen wie eine prekäre wirtschaftliche Lage oder die Rücksichtnahme auf pflegende Angehörige. Der Gerichtshof fordert den Gesetzgeber auf, in der Neuregelung Maßnahmen vorzusehen, die einen potenziellen Missbrauch verhindern, sodass Betroffene ihre Entscheidung zur Selbsttötung nicht unter dem Einfluss anderer fassen.
  4. Was kann die Patientenverfügung regeln?
    In der schriftlichen Willenserklärung lehnt der künftige Patient eine medizinische Behandlung ab. Die Verfügung wird wirksam, wenn der Patient im Zeitpunkt der Behandlung nicht selbst entscheiden kann. Die auszuschließenden Behandlungen bestimmt der künftige Patient, basierend auf medizinischer Aufklärung. Lebensverlängernde Maßnahmen können abgewählt werden. Wichtig ist, dass die abgelehnte Behandlung konkret beschrieben sind.
  5. Wer entscheidet, wenn es keine Verfügung gibt?
    Grundsätzlich steht die Selbstbestimmtheit des Patienten im Vordergrund. Ist die notwendige Einwilligungsfähigkeit nicht mehr gegeben, besteht neben der Patientenverfügung die Möglichkeit, durch einen Vorsorgebevollmächtigten vertreten zu werden. Eine Vertrauensperson, die auch über schwerwiegende medizinische Angelegenheiten entscheiden kann. Liegt beides nicht vor, gibt es verschiedene Formen der Erwachsenenvertretung.

    Das Interview führte Alexandra Plank

Den Artikel finden sie in: TT - Tiroler Tageszeitung, 24.04.2021, Ausgabe 114, Seite 13

Siehe hierzu auch: https://www.tt.com/artikel/17642770/vfgh-oeffnet-tuer-zur-sterbehilfe

 

zurück zur Übersicht